Susanne Baur
Favorit ist der weibliche Akt
„Figuration – Expression – Fiktion“ hat Susanne Baur aus Sigmaringen ihre Ausstellung beim Kunstkreis 84 Riedlingen im Kaplaneihaus überschrieben. Eröffnet wird sie am kommenden Donnerstag, 15. Oktober, 19 Uhr.
Ulla Mross aus Mengen, die 2017 in Riedlingen ausstellte, hat sie auf den Kunstkreis 84 aufmerksam gemacht und so hat sie sich um die Präsentation ihrer eigenen Werke beworben. In ihr wird das Interesse der Künstlerin an Menschen und insbesondere am weiblichen Körper deutlich. Das sei schon in jungen Jahren bei ihr ausgeprägt gewesen, sagt sie. Doch sie holt sich für ihre Aktbilder keine Modelle ins Atelier, sondern arbeitet nach Fotos aus Zeitschriften, Bildbänden. Das Besondere an ihren Werken: Sie „verspannt“ ihre Figuren in den Raum. So wird schon in ihren Aktbildern eine zweite Leidenschaft deutlich: die Architektur.
Bei einer Fortbildung hat Susanne Baur sie für sich entdeckt und so spiele das eine in das andere mit rein. Schicht für Schicht trägt sie die Farbe auf. So schimmerten die unteren Farben durch, erklärt sie anhand eines Bildes, lassen ein Farbkleid erahnen, das die Figur nicht nackt erscheinen lässt. Sie überarbeitet immer wieder. Marmormehl wirkt wie ein Schleier, kristallisiert die Figur heraus. Hier und dort bleiben die Original-Palette oder das Papier unbemalt, sind Teil der Komposition. Susanne Baur sprayt, schüttet dünnflüssige Farbe auf Platte oder Papier, trägt auf und ab, bindet zufällig entstandene Strukturen ein, verwendet zum Teil auch Quarzsand oder gar Bitumen, spricht von „Körperlandschaften“. Die Körper sind zumeist angeschnitten, die Frauen dahinter bleiben immer anonym. Raum und Figur gehen häufig ineinander über. Die Architektur nennt sie streng. Sie gebe den Rahmen. Fleischfarbig sind die Körper nie, Erdtöne verwendet Susanne Baur, aber auch Blau oder Rot. Kraftvolle dunkle Striche zeichnen die Bewegungen nach.
Sie spricht von einem „langen Prozess“, bis eines ihrer Bilder fertig ist und weist noch einmal auf das Verwerfen, Übermalen hin.
Dass sie gerne in Serien arbeitet, macht die Ausstellung in Riedlingen deutlich, vor allem auch in der Farbgebung, die sich gegebenenfalls ändert. Ton in Ton bleibt sie dennoch. Bei den Architekturbildern verrät sie Assoziationen, die sie als Kind hatte, erinnert sich an das alte Haus ihres Opas. Sie zeigen ungeheuer viel Tiefe, „ziehen“ den Betrachter „in das Bild hinein“. Die Perspektive, so Susanne Baur bei der Ausstellung 2018 in Sigmaringen, fasziniere sie seit langem, verbunden mit der Frage: Wie erzeuge ich auf einer zweidimensionalen Fläche den Tiefeneindruck? Wer die Bilder im Kaplaneihaus betrachtet, bekommt den Eindruck, dass sie die Antwort gefunden hat. Malen zu müssen, nennt die Realschul-Rektorin, die sie seit 2019 in Mengen ist, ein Grundbedürfnis. Sie hat denn auch Kunsterziehung an der Hochschule der Bildenden Künste in West-Berlin studiert und wechselte 1992 an die Pädagogische Hochschule Weingarten mit dem Hauptfach Bildende Kunst, um dieses Fach viele Jahre an der Realschule in Winterlingen zu lehren und sich überdies von 2012 bis 2016 als Mitglied der Bildungsplankommission Bildende Kunst in der Sekundarstufe 1 am Kultusministerium in Baden-Württemberg einzubringen.
Auf das Jahr 1997 datiert ihre erste Ausstellung zurück, im Frauenbegegnungszentrum in Sigmaringen. Viele folgten, ob im Schloss Meßkirch, im Kreiskrankenhaus Nürtingen, im Heimatmuseum Fridingen und zuletzt 2018 zusammen mit Jürgen Schulz-Lorch in der Galerie GOART in Sigmaringen. Seit 2017 ist sie sogar mit Bildern im Kultusministerium in Stuttgart vertreten. Eine Vernissage unter Corona-Bedingungen – inklusive Maskenpflicht – zu veranstalten, ist für den Kunstkreis 84 Riedlingen eine Herausforderung. Sein Vorsitzender Dr. Berthold Müller will es dennoch wagen und die Besucher-Zahl Corona-gerecht – je nach Andrang – auf die Ausstellung und die Eröffnung im Multifunktionsraum aufteilen. Das kann bedeuten, dass das Künstler-Gespräch, das er mit Susanne Baur führen will, auch ein zweites Mal stattfindet. Auch auf Musik wird nicht verzichtet. Die Conrad Graf-Musikschule sorgt dafür. Was es jedoch nicht geben wird, das ist das bei den Ausstellungs-Eröffnungen des Kunstkreises 84 so geschätzte Büffet mit kulinarischen Köstlichkeiten. So muss der Gaumen verzichten, dafür darf sich das Ohr an Instrumental-Klängen erfreuen und das Auge sich an Bildern ergötzen.
Die Ausstellung „Susanne Baur: Figuration – Expression – Fiktion“ im Kaplaneihaus, Kirchstraße 2, in Riedlingen ist zu sehen vom 16. Oktober bis 8. November jeweils freitags und samstags von 15 bis 17 Uhr und sonntags von 14 bis 17 Uhr. An allen Sonntagen wird die Künstlerin anwesend sein.
Waltraud Wolf
Erschienen in der Schwäbischen Zeitung Riedlingen am 13.10.2020