Werkschau zum Jahresthema „Chaos“

Eine „Meisterleistung“ des Teams

Ein orangerotes Plakat an der Eingangstür weist nicht farbenintensiv auf die Werkschau der Malergruppe des Kunstkreises 84 Riedlingen „Chaos“ hin, sondern auf die Nies- und Hustenetikette. Dieses, wie auch die Teilnehmerliste und vor allem das große Behältnis mit Desinfektionsmittel ist bei der Vernissage am Donnerstagabend im Kaplaneihaus in Riedlingen dem Coronavirus geschuldet, beziehungsweise seiner Eindämmung. Auch die Stühle stehen nicht so eng wie bei sonstigen Ausstellungseröffnungen. Abstand wahren fällt eh nicht so schwer, denn es sind nur gut 30 Besucher, die sich eingefunden haben, um die Werke der 20 Frauen und fünf Männer im Treppenhaus und im Obergeschoss zu betrachten.

Ihr Interesse aber ist groß und trotz der Anweisungen, sich nicht allzu nahe zu kommen, steckt man hier die Köpfe zusammen, um die Bilder zu betrachten, Techniken zu besprechen, „sein“ Lieblingsbild zu entdecken. Bewunderung für die Kreativität der Malenden, ihre Ideen und die oft fantasievolle Umsetzung werden deutlich. Als aufschlussreich wird empfunden, dass bei der Hängung alle Bilder eines Künstlers zusammen platziert wurden und man staunt nicht selten über die Unterschiedlichkeit der Werke aus einer Hand. Der Virus, dessen Darstellung auch wie ein Kunstwerk wirken kann, gerät vorübergehend in Vergessenheit. Dennoch: Vor dem Gang zum Büffet ist das Desinfizieren der Hände wieder angeraten.

In sie wurde zu Beginn der Vernissage mehrmals geklatscht. Der Beifall galt nicht zuletzt den Musikern: Musikschulleiter Reinhold Gruber trat an zwei E-Pianos mit zwei Schülern auf, der jungen Sophia Mayer und dem Kunstkreisvorsitzenden Dr. Berthold Müller, der danach gleich in dieser Funktion die Gäste begrüßte und in die Werkschau „Chaos“ einführte.

Als „äußerst facettenreich“ beschrieb der das Thema und als alles andere als einfach umzusetzen. Wie immer demokratisch sei über das Thema abgestimmt worden, ein „verlässliches Ritual“, das Sicherheit schaffe und Gemeinsamkeit stärke. Als seiner Einschätzung nach rekordverdächtig nannte er die Anzahl der Bilder. Es sind 69. Die Werkschau diene der Präsentation der Arbeiten, die im Verlauf der vergangenen zwölf Monate entstanden sind. Müller sprach vom „Fingerabdruck eines Prozesses“, bei dem von der ersten Skizze und einer ersten Bildanlage an das Verändern, Überarbeiten, wieder verändern, nochmals kritisch überprüfen, zwingend notwendig sei, bis es schließlich als Ergebnis akzeptiert werde. Dieser Prozess sei also keine Angelegenheit einiger lockeren Mußestunden, sondern eine Übung, um sich unabhängig von seiner jeweiligen Tagesform ans Werk zu machen, um die Facetten auszuloten, die das Thema biete.

Das Jahresthema, so der Kunstkreisvorsitzende, habe bisher immer zu einer Bereicherung der gestalterischen Fähigkeiten der Malergruppe geführt und auch zu Disziplin. Sich in ein Thema zu vertiefen, schaffe neue Denk- und Gestaltungsräume. Unter dem Aspekt des Experimentierens gesehen, animierte er die Besucher, beim Betrachten der Präsentation dem Unfertigen, Werkstatthaften mehr Beachtung zu schenken als der ausgefeilten Komposition. 

„Der Malerkreis ist eine starke Truppe und Beweis für das kreative Potential in unserem Verein“, freute er sich über die Ausstellenden und würdigte auch die langjährige Mentorin Ruth Dietrich, die in ihren VHS-Kursen mit „wohlwollend kritischen Kommentaren“ wertvolle Anregungen gebe. Besonders hervor hob er die Leistung des Teams, das sich bei der Hängung der Bilder verdient gemacht hat, eine „Meisterleistung“ beschied er.

Auch dem Thema „Chaos“ widmete sich der Kunstkreisvorsitzende, nannte Beispiele des Weltgeschehens dafür, ging auf die Chaos-Forschung ein, die lehre, dass man mit Ungewissheiten leben müsse. Auf der anderen Seite könne aus zufälligen Ereignissen völlig Neues entstehen. Er bejahte die an sich selber gestellte Frage, ob man das evolutive Chaosprinzip auch auf die Kunst anwenden dürfe. Kreativität sei geradezu das Paradebeispiel für ein künstlerisches Schaffen, das quasi aus einem amorphen Urzustand heraus Neues erfinde und bisher nie Dagewesenes erschaffe. Der schöpferische Akt eines Bildes lasse den spielerischen Menschen die eigene kreative Kraft erkennen und gebe die Gewissheit der eigenen Selbstwirksamkeit. „Wenn wir den Mut haben, uns diesem zufälligen wie absichtslosen Geschehen hinzugeben, dann kann viel Überraschendes, nicht immer nur Ästhetisches, dafür Authentisches entstehen“.

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